Freitag, 16. August 2019

Nein zum Heim

Petition bei Change.org

Die Bundesregierung plant, Menschen, die mit Beatmung in ihrer eigenen Wohnung leben, grundsätzlich in Heime zu verlegen. Wir sagen Nein!und fordern Wahlmöglichkeiten für Betroffene, wo sie leben und gepflegt werden wollen.

Jens Spahn, Bundesminister für Gesundheit, legt mit dem Gesetzesentwurf für ein Reha- und Intensivpflegestärkungsgesetz einen Vorschlag auf den Tisch, der die häusliche Krankenpflege beschneiden soll. Die häusliche Krankenpflege ermöglicht es pflegebedürftigen Patienten, vor allem aber auch behinderten Menschen die auf eine dauerhafte Beatmung angewiesen sind, ambulant und damit in den eigenen vier Wänden zu leben.

Mit dem nun vorgestellten Gesetzesentwurf soll hingegen die stationäre Unterbringung in speziellen Einrichtungen für alle “Versicherte mit einem besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege” zur Regel werden.

Das heißt konkret: Viele behinderte Menschen werden gegen ihren Willen in vollstationäre Heime oder spezielle Beatmungs-Einheiten verbracht. Einen Bestandsschutz gibt es nicht. Ausgenommen von dieser Regel sind nur Kinder und Jugendliche, die bei ihren Eltern und ihrem Zuhause bleiben dürfen. Alle anderen können nur dann in der eigenen Wohnung bleiben, wenn eine andere Unterbringung schlicht unmöglich oder für sie unzumutbar ist. 

Die vergangenen Gesetze der Bundesregierung hatten ähnliche Regelungen bezüglich der Unterbringung von behinderten Menschen enthalten und führten zu Willkürentscheidungen der Sachbearbeiter, die über die Zumutbarkeit zu entscheiden haben. 
Zudem steht zu befürchten, dass viele Betroffene zukünftig so lange wie möglich eine Beatmung hinausschieben aus Angst, ihr ambulantes, selbstständiges Leben aufgeben zu müssen. Für einige Krankheitsbilder kann dies verheerend sein.

Inge Herrmann, 22 Jahre alt und Beatmungspatientin schreibt: “Für mich bedeutet so eine Gesetzesänderung, falls sie wirksam wird, dass ich mich gegen eine Beatmung entscheide. Ich verspreche ihnen, ich werde lieber laut sterben als still und leise im Pflegeheim dahinzusiechen."

Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Skandal. Er missachtet die Würde von Menschen, dringt in ihren Alltag ein und diskriminiert sie.

Vordergründig möchte das Gesetz die Qualität der Versorgung verbessern. In Wirklichkeit geht es aber um Kostensenkungen, wie die Gesetzesbegründung selbst sagt. Das erkennt man schon dadurch, dass die beabsichtigte Regelung völlig ungeeignet zur Erreichung des angeblichen Gesetzesziels ist: Gegen Betrug durch Abrechnungen in so genannten Beatmung-WGs gibt es Strafgesetze, die konsequent angewendet werden müssen. Gegebenenfalls müssen hier Kontrollmechanismen etabliert werden. Es kommt auch keiner auf die Idee, Frauen in spezielle Einrichtungen zu bringen um sie vor sexuellen Übergriffen zu schützen.
Auch das zweite vorgeschobene Gesetzesziel erfordert keinen Heimzwang: soweit eine Beatmungsentwöhnung möglich ist, werden die Betroffenen glücklich sein, wenn hierfür Maßnahmen zur Verbesserung der Rehabilitation ergriffen werden. Warum Personen mit degenerativen Erkrankungen, die niemals entwöhnt werden können, deshalb ihr Leben in einem Heim verbringen sollen, erschließt sich nicht.

Miriam, Angehörige eines ALS-Patienten, schreibt: "Nachdem mein Mann sich für die Zukunft mit invasiver Beatmung entschieden hat, haben wir noch einmal all unsere Kraft zusammengenommen und unser Leben auf den Kopf gestellt. Wir haben uns ein neues Heim geschaffen, zugeschnitten auf die Bedürfnisse meines Mannes. Wir haben einen tollen Pflegedienst gefunden und fühlten uns wahrlich organisiert. Bis Sie ins Spiel kamen!" 
STOPPEN SIE JENS SPAHN!

Retten Sie das selbstständige Leben Tausender behinderter Menschen!

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Dienstag, 6. August 2019

Zerstreut Kaffee trinken

Auch in dieser
Broschüre wird zerstreut
Kaffee getrunken. 
29. Mai 2014

"Guten Morgen, Herr Tjaden."

Etwas zertreut, dafür aber bestens betreut von meinem Jagdterrier Mike Tjaden, suche ich den Eingang zu Konrads Café in Kleinburgwedel. Kleinburgwedel ist ein Dorf, das von Burgwedel betreut wird und in der Nähe ein wenig zerstreut herumliegt. Den Eingang zum Café finde ich nicht. Dafür aber eine Schiebetür. Der Inhaber begrüßt mich (siehe oben). Ich bestelle eine Tasse Kaffee.

"Sie wissen, wer ich bin?", kommt der Inhaber mit dem Kaffee an meinen Tisch. An das Gesicht erinnere ich mich. An mehr nicht.

"Wir sind in Hannover in der Hoffmann-von-Fallersleben-Straße Nachbarn gewesen", sagt er. Ich falle fast vom Stuhl, dabei fällt mir ein, dass ich dort von 1986 bis 1996 gewohnt habe. Bis ich von der ziemlich nervigen Hauseigentümerin vertrieben wurde.

Der Inhaber sitzt längst an meinem Tisch. "Sie haben dort allein gewohnt", sagt er. Nun ist er offenbar ein wenig zerstreut. "Nein", antworte ich, "meine Frau hat die Wohnung gefunden. Als ich damals das erste Mal in die Hoffmann-von-Fallersleben-Straße abbog, dachte ich, sie hätte den Verstand verloren. Aber die Wohnung war sehr schön." Er schmunzelt. Wir erinnern uns gemeinsam an einen stets betrunkenen Hausmeister.

"Ich muss nun das Frühstück für eine Gruppe vorbereiten", macht sich der Inhaber von Konrads Café wieder an die Arbeit. "Wir können uns später ja noch einmal unterhalten." Dann fragt er mich noch, wo ich denn jetzt wohne. Ich nenne ihm die Adresse. Er sagt: "Kenne ich. Dort wohnt auch die Künstlerin Scholz." Das ist meine Nachbarin. Dass sie Künstlerin ist, höre ich zum ersten Mal.

Daraus habe ich gelernt: Wenn man den Eingang zu einem Café in einem Dorf nicht findet, trifft man einen alten Bekannten, sobald man eine Schiebetür geöffnet hat. Wenn ich noch zerstreuter werde, sollte ich mir ein Zimmer im Altenheim Lindenriek suchen. Das steht auf dem gleichen Grundstück. Zum Kaffeetrinken könnte mich mein ehemaliger Nachbar aus der Hoffmann-von-Fallersleben-Straße abholen.

Mit ein wenig Stolz möchte ich noch anmerken: Konrads Café  habe ich durch den Ausgang verlassen. Die Schiebetür hätte ich möglicherweise auch wiedergefunden...

27. Mai 2017

Fast auf den Tag genau drei Jahre später trinke ich auch in einem Krimi zerstreut Kaffee. Hier klicken

6. August 2019

Gelegentlich bin ich nicht zerstreut. Deswegen vergaß ich nicht, diese Geschichte in meine neue Broschüre "Heiß ist es auch, wenn man nicht lacht" aufzunehmen. Hier bestellen